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Geschichte


Wissenswertes zur Kirche Ostrau

Die evangelische Kirche in Ostrau Gemeinde Elsteraue ist eine der ältesten Kirchen im Hochstift Zeitz. Als einschiffige Saalkirche mit Ostturm wurde sie als Stifterkirche des Ritters Conradus um 1175 erbaut.

Bereits 1121 wird der Ort in der Stiftungsurkunde des Klosters Posa unter dem Namen „Ostrowe“ erwähnt.

Der ursprünglich romanische Teil der Kirche wurde um 1200 aus (Kalk-) Sandhausteinen errichtet.

Weithin sichtbar war der mächtige Turm, der die ganze Breite des Kirchenschiffs maß.

Während des Umbaus 1710 wurde der inzwischen baufällige Turm durch einen neuen ersetzt, wobei die Steine wiederverwendet wurden.

Das Kirchenschiff wurde im Zuge dieser Baumaßnahmen gen Osten verlängert.

Der Rücksprung im Außenmauerwerk ist noch heute im Inneren erkennbar.

Der Umbau im Jahre 1851 prägte das heutige Erscheinungsbild der Kirche.

Die Kirche Ostrau wurde schrittweise saniert.

Eine neue Farbgebung erhielten in den Jahren 2017/2018 die Holzeinbauten im Kircheninneren wie z.B. Emporen, Kirchengestühl und Kirchendecke.

Die Gelder stammen aus verschiedenen öffentlichen Quellen.

Die umfangreichste Sanierung fand von 2015 bis 2019 statt.

Dies geschah infolge der Beseitigung der Hochwasserschäden aus dem Jahr 2013. Die Summe belief sich auf über 200T€.

Aus der LEADER-Förderung erhielten wir 46T€ zur Innenausmalung der Kirche.


Im Kircheninneren sind folgende bemerkenswerte Schaustücke vorhanden:

Die Glocken stammen aus den Jahren 1453 und 1518 und besitzen unterschiedliche Größen.

Beide Glocken sind noch im täglichen Gebrauch.

An der Südseite der Kirche befindet sich eine Grabplatte mit der Darstellung eines Schwertes.

Das Epitaph aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts ist einem Konrad [CUNRADUS] gewidmet.

Dabei handelt es sich wahrscheinlich um den Stifter der Kirche.

Ein Buntglasfenster aus dem Jahr 1906 befindet sich in der Mitte der Südseite im OG und kann vom Nordeingang gut gesehen werden.

Die Orgel mit ihrem schönen Prospekt wurde von einem unbekannten Orgelbauer 1726 errichtet

und um 1800 von dem Orgelbaumeister Johann Nikolaus Zimmermann aus Camburg umgebaut.

Im Westvorbau befindet sich der alte Blasebalg, der noch heute manuell bedient werden kann. Dafür wurden Teile wie z.B. die Tretwand 2020 erneuert.

An der Nordwand der Winterkirche befindet sich die aus dem 16. Jahrhundert stammende Grabplatte des Erbar Frydrich von Etzdorf, der mit Rosenkranz in den Händen dargestellt ist.

Die von Etzdorfs waren von 1403 bis 1557 die Besitzer des Ostrauer Rittergutes.

Am Scheitel des im romanischen Stil erbauten Bogens blickt das allsehende Auge Gottes auf den Besucher. Es verweist auf die Trinität, d.h. die Dreieinigkeit von Gott Vater, seinem Sohn Jesus Christus und dem Geist Gottes.

Der Altar stammt aus dem Jahr 1634. Die 2003 restaurierten Medaillons mit Schmuckrahmen, porträtieren die Altarstifter: Bernhard Leo von Könderitz und seiner Frau Christiane geb. von Draschwitz. Eine derartige Stiftung mitten in der Zeit des 30-jährigen Krieges war außergewöhnlich. Das große Altarbild zeigt den gekreuzigten Christus, den Maria, Josef und Maria Magdalena anbeten. Auf der Predella unten ist das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern zu sehen.

Der knieende Ritter ist das monumentale Grabmal des 1564 gestorbenen Valentin von Lichtenhain.

Der Stiftsritter und Besitzer der Burg Etzoldshain erwarb 1563 Ostrau.

Nach seinem Tode wurde er als Patronatsherr in der von ihm großzügig umgebauten Kirche beigesetzt. Die Burg Etzoldshain befindet sich im heutigen Nachbardorf Etzoldshain bei Könderitz.

Eine über 400 Jahre alte Lutherlinde von 1617 befindet sich im Friedhofsbereich.

Neben dieser Linde wurde in jüngster Zeit im Lutherjahr 2017 von der evangelischen Kirchgemeinde Ostrau eine Linde gepflanzt. Gestiftet wurde diese vom Dorfclub Göbitz e.V.


OSTRAUER GESPRÄCHE 1543 - 1553


„Ostrauer Gespräche 1543 – 1553“ –

eine kleine Reformationshistorie aus dem Gebiet

zwischen Naumburg, Zeitz und der Elsteraue

von Katrin Lange, Gemeindepädagogin

vorgetragen zum „Besonderen Gottesdienst“ an der Lutherlinde Ostrau am 23.07.2017


 

1.    1543, Valentin von Lichtenhain, Domstiftadel auf Burg Etzoldshain, kurz vor dem Angriff der Zeitzer Protestanten:

„Was für ein Winter, das Jahr fängt mit kalter Botschaft an. Mein Stiftsgevatter Joachim von Etzdorf und die Meinen sind nun schon seit 2 Wochen in der Burg selbstgewählt kaserniert. Kalt ist es und unerträglich und zerrt an den Nerven. Mögen die Horden nur kommen, wir erwarten sie standhaft. Wie kann dieser Doktor-Luther-Glaube nur so flammend das ganze Sachsenland, ja die Welt überziehen? Und war es nicht eine weitere Ungeheuerlichkeit, dass der Wittenberger höchst selbst den Bischof Nikolaus von Amsdorf weihte? Dieser „heilige Nikolaus“ vergreift sich am Naumburger Domaltargeschirr, bereitet daraus Klimpergeld mit Spottgesichtern von uns Romtreuen. Was für ein feiner Herr Bischof von kurfürstlichen Gnaden! Da lob ich mir meinen Glauben, den immertreu ich nicht verleugnen will. Zu Gebet und Zurüstung lege ich noch einmal Sturmhaube und Streithammer ab und werfe mich auf die Knie um Christie Beistand zu erflehen.“


„Wie? Was stört die fromme Eintracht? WIE viele?

Nun haben sich also die Rotten formiert! So, so, nun denn zum Kampf bereit, hebt die Zugbrücke an und bringt die Musketiere zwischen die Zinnen.“

 

2.    1543, Nikolaus von Amsdorf, 1. Evangelischer Bischof in Naumburg und Zeitz:

„Nun bin ich also hier in Naumburg und predige treu und redlich im Schatten des Domkapitels. Dort bin ich unbeliebt und viele Entscheidungen werden an mir vorbeigetroffen. Ein zahnloser Tiger bin ich wohl, wenn Tiger überhaupt oder wie Dr. Martinus sagte: „Vom reichen Pfarrer zum armen Bischof“. – ja so ist es wohl mit Glaubens-Pionieren. Einzig die guten Bürger und fromm-lutherischen Stadträte in Naumburg erweisen sich als getreue Streiter für unseren neuen Glauben. Hier bin ich vorerst sicher. Doch ich mach mir nichts vor. Bin ich drüben in Zeitz, komme ich mir wie im Arrest vor. Einige lutherisch-wackere Zeitzer preschen jetzt vor, um ein paar unbeugsame Stiftsritter festzusetzen: von Bünau, von Etzdorf und besonders der von Etzoldshain widersetzen sich. Die Auen der Elster werden heftig widerhallen vom Protest der Protestantischen. Nur schwant mir, dass mir das Bischofsamt nicht dauerhaft zu eigen ist. Ungebrochen waltet die Macht der Päpstlich-Bischöflichen. Es wird der Pflug´sche Julius schon seiner zweiten Hirten-Episode harren.“

 

3.    1543, ein Zeitzer Bürger, am Aufstand beteiligt gewesen:

„Das war eine feine Sache. Mit Spieß und Speer ging es in die Elsteraue. Hundert Männer stark war unser Trupp ´Wider den alten Glauben´. Wir Zeitzer Bürgertum wollten es den störrischen Etzoldshainern nun zeigen. Sie konnten uns schon von Weitem sehen und hören, in ihrer trutzigen Burg. Noch ein paar Meter bis zum Palisadenzaun, der Winter war uns eisiger Helfer und der Wallgraben war bald überwunden. Die Unsrigen, hielten den Turm streng unter Feuer und zwangen die Musketenträger hinter die Zinnen. Der Burghügel wurde mit Feuer erklommen und die Burg im Sturm erobert. Von fest und steinern kann keine Rede mehr sein, dem Mäuerlein haben wir gar mächtig mitgespielt. An vielen Stellen blieb kein Stein auf der Verschanzung. Wir waren eine rohe Horde. Betreten vor dieser Übermacht, ergaben sich die Herren von Lichtenhain und von Etzdorf und wurden gefangen gesetzt.“



4.    1553, Julius von Pflug, Bischof in Naumburg und Zeitz seit 1547:

„Immer wieder erhielt ich bittende Kunde, aus der Elsteraue vom Ritter Lichtenhain, wie schon so oft in den vergangenen 6 Jahren. Der Streit geht schon so lange um Ausgleich und Auskommen und Rückgabe der eingezogenen Güter, die der Etzoldshainer fordert.

Wie er es damals geschafft hat, Brief und Siegel an Kaiser Karl zu senden, war recht mutig. Karl der V. gab den Befehl an Kurfürst Johann Friedrich, Ritter Valentin in Freiheit zu setzen, zu entschädigen und das Anwesen hergestellt zurückzugeben, doch der Kurfürst drehte den Spieß herum. ´Verkaufen solle von Lichtenhain, denn anerkennen würde ihn der Kurfürst nie mehr als Untertan und Landeskind. Zu tief war der Ärger, weil dieser nicht den lutherischen Glauben annahm, geschweige denn den Bischof von Amsdorf anerkennen oder ihm huldigen wollte.´ Nun ist von Amsdorf schon längst abgesetzt und ich versehe das Bischofsamt nach bestem Wissen und Gewissen und mit herzlicher Liebe zu allen Christenmenschen ob Katholisch oder lutherischen Glaubens. Denn Christus ist das Bindeglied für beide Schwestern, der Großen in Rom, wie der Kleinen, in Wittenberg geborenen.

Nun ist es mir durch Zuhören und auf die Argumente des anderen eingehend, gelungen, den Stiftsritter von Lichtenhain zu einem Vergleich zu bewegen. Gern zahl ich ihm aus meiner Kasse die 600 Gulden. Dann wird wohl Friede zwischen uns sein und Friede soll bleiben zwischen Katholik und Protestant, zwischen Naumburg und Zeitz und überall.

 

5.   1553, Valentin von Lichtenhain:

„Nun sind die Jahre vergangen. Bald steht der Winter vor der Tür. Ich erinnere mich noch genau an den unbarmherzigen Winter 1543. Nachdem die wütenden Zeitzer Horden die Burg gestürmt, Plünderung und schweren Schaden am Gemäuer angerichtet hatten, ergaben wir uns, mein Gesinnungsvetter von Etzdorf und ich. Gefangen aber nicht untätig, schrieb ich mit sicherer Hand an den Hochwohlgeborenen Kaiser Karl. Getreue Freunde brachten das Gesuch unbemerkt zu ihm nach Geldern. Wollte ich doch wenigstens, für das Wüten auf meiner geschundenen Burg, einen Schadenersatz erwirken. Vom Kurfürsten gedemütigt, erhielt ich lange Zeit kein Recht. Bischof von Pflug wurde mir zum Vermittler und frommen Fürsprecher. Das dank ich ihm von Herzen und will nun Ruhe halten und mich abfinden. Den Vergleich, den mir der Bischof angetragen hat, will ich akzeptieren und meinen Frieden machen. Mit den 600 Gulden kann ich Gut Ostrau, neben meinem geliebten Kirchlein, erwerben. Die Pflugschen Worte klingen mir noch im Ohr: ´Ich ermahne euch durch die Barmherzigkeit Gottes, ihr möget euch gut vorsehen, dass ihr nicht zu weit geht, denn in Dingen der Religion muss man bescheiden vorgehen, weil man sich leicht dabei vergreifen kann.´ Nun denn, so soll es sein.

Nur eins zum Schluss: an meinem Glauben halt ich fest. Ich bin und bleib ein demütig Kind mit römisch-katholischem Segen und lass die Lutherischen das Ihre tun. Meine frommen Ostrauer sollen nach ihrer Fasson selig werden und Messen in Deutsch abhalten und auf die neuen Lehrer, Luther, Melanchthon und wie sie alle heißen, bauen. Der neue Glaube ist stark und wird wohl die Welt erobern, das spüre ich. Doch ich bleib bei Meinem und werde keinen Groll mehr hegen, sondern mein Seelenheil finden und mich betten dereinst im Ostrauer Kirchlein.“

 

Valtentin von Lichtenhain starb am (2)9.5.1564. In der Ostrauer Kirche steht die Grabplatte die ihn zeigt als Ritter, der kniend zum Gebet, die Sturmhaube und dem Streithammer abgelegt hat. 

Julius von Pflug starb im gleichen Jahr, am 3.9. 1564 und wurde in Zeitz beigesetzt, seine Grabplatte befindet sich im Zeitzer Dom.

 

OSTRAUER GESPRÄCHE 1681 - 1837

2. Ostrauer Gespräche –

Valentins Erbinnen

Aus dem Leben der Nachfahrinnen

des Ostrauer Ritters 1681-1837

von Katrin Lange, Gemeindepädagogin

vorgetragen zum „Besonderen Gottesdienst“ an der Lutherlinde Ostrau

am 15.07.2018


Im Schatten der Lutherlinden werden wir heute wieder an die Menschen und Geschicke der Vergangenheit erinnert. Das Adelsleute der Lichtenhains, ob in Ostrau oder Etzoldshain ansässig, waren stets mit ihrem Glauben verbunden. So hören wir nun ein paar historische Miniaturen aus dem Leben von Valtentins Nachfahrinnen:

 

1.    1683, Christiane von Lichtenhain, Mutter von Christoph Friedrich von Lichtenhain vom Anwesen Ostrau:

„Mein lieber Junge, den ich geboren und gehegt, liegt nun schon seit zwei Jahren im Karzer. Das Etzoldshainer Tribunal gitterte meinen Fritz ein und stellte ihn als Mörder hin. ohne jeglichen Anhaltspunkt. Mal wieder duelliert zum Jux werden sie sich haben und dann lag leblos Vetter Heinrich da, erstochen gar. Das kann ich nicht verstehen.

Musste meiner auch mit jenem streiten und ringen und ihn mit Schimpfereien traktieren, dass dieser schon ganz wirr im Kopf wurde. Ach es gab doch keinen wahren Grund und keinen, der zu diesem Gezanke Anlass gab. Doch schon als Kinder in der Ostrauer Kirchenbank hatten beide Knaben ihre Unverträglichkeit. Auch Vetter Heinrich Rudolph ließ nicht mit Neckereien auf sich warten, nur war er der jüngere, unreife Lausebub. An eine Kirchweih in Heinis Kinderjahren erinnere ich mich noch lebhaft. Er und mein Fritz bespuckten sich mit Kirschkernen während der Waltherschen Predigt. Mein Gemahl Adolph Friedrich wurde ernst und rügte sie heftig. Und so ging es weiter, mal suchte der Ältere Händel, mal der Jüngere.

Ach, ich geb´ zu, mein Fritz ist schon von jeher ein Polterer und macht´ das Mutterherz mir schwer. Mit dem Göbitzer Mühlenwart legte er sich wegen der Erhöhung des Mahlbaumes in der Ostrauer Mühle an. Der Junge meinte, immerzu benachteiligt zu werden und stritt und stritt. Auch ging es um die Grenzziehung bei der Koppeljagd über die man trefflich ein Rebhühnchen rupfen konnte. So muss es wohl auch mit Junker Heinrich gewesen sein. Und dabei gibt es doch genügend familiären Platz und borstiges Wild allhier. Kurzum, der Junge muss befreit werden und so schick ich die geforderten 700 Thaler Kaution zur Sicherheit, dass er nicht ausreißt, wie von der Gerichtsbarkeit in Etzoldshain gefordert. Nun sind wir alle Lichtenhayns und doch im Zank entzweit.“

 

Christoph Friedrich verschwand in den Abendstunden des 15. Oktober 1690 mit einer geladenen Flinte in Richtung der „Hehnischen Breite“ (Etzoldshainer Breite) und kehrte nicht zurück.

 

2.   1699, Anna Elisabeth von Lichtenhayn, Witwe des Christoph Friedrich:

„Nun werd ich wohl die Mühle nicht mehr halten können. Auch kann ich mich der häuf´gen Plündereien nicht erwehren. Dann starb mein verehrter Herr Schwiegervater vor zwei Jahren und nun fehlt der strenge Ton. Doch Geld muss in die Kasse, darum geb´ ich die Mühlenpacht an fleiß´ge Leute weiter und hoff auf regelmäßigen Zins. Nach dem Tode meines Gatten – möge Gott seiner Seele gnädig sein - blieb mir doch nur der Erlös der Lutherschriften. Zehn Bände stattlicher reformatorischer Lektüre waren im Leder eingebunden. Das Protestantische hat uns ja nun in der Familie in den letzten hundert Jahren begleitet. Da fiel es mir schon schwer, den Luther wegzugeben. Doch bei der hinterlassenen Schuldensumme von 8676 Gulden war der Gewinn nur wie ein Tropfen Elsterwasser.

 

Tragisch geht es auch weiter, im Jahre 1745 kommt es zu einem weiteren Unglück. Die Elster wird zum Grab der letzten Etzoldshainer Lichtenhains.

 

3.   1745, Christiane Madgalena von Lichtenhain, Hochwohlgeborene von Etzoldshain und Cönderitz im Morgengrauen des 3. September:

„Wie freu ich mich und bin gar unedel aufgeregt über unsere Fahrt nach Hohen Melzen. Der Herbstmarkt stellt den Höhepunkt des Jahres dar, dann kann es Winter werden. Wenn die Herren Edelmänner und feilschende Konsorten auf das Vieh mit Huf und Horn gespannet sind, so will ich mit den drei Töchterlein den Töpfermarkt im Kastanienschatten der Kirche preisen. Stärker noch bewegen uns die feinen Waren der Pelz- und Tuchhändler in den Sälen des Rathauses. Ach überhaupt sind in der Stadt der zwei Türme die verschiedensten Gewerke anzutreffen, wie Bäcker, Schuster, Korbmacher, Goldschmied, Schneider und viele mehr. Da freut sich Hand und Arm und festgeschnürte Taille. Von einem neuen Kleiderstil, bereits am Hof des Franzosenkönigs üblich, hörte ich; der endlich den gewaltigen Holz- und Grätenunterbau des Rockes reduzieren soll. Ich hoff doch, dass die Melzer Kaufleut´ gut rumgekommen sind.

Auch hätt´ ich gerne meine Älteste Carolina Sophia einem guten (Daumen und Zeigefinger reiben) Edelmann gegeben. Ich mein´ die Melzer sollten ihrem Markt einen Heiratsball gestatten. So könnte auch die Magdalen und mein Frideric Augustchen schier züchtig ihre Augen heben… (ruft) Wohlan, Herr Heinrich, spann den Wagen an und schone nicht die Pferde dann und schick nach der Sophia.

 

Leider verunglückte der Wagen in der Predler Furt und die Edelfrau (QUELLEN) mit ihren drei Töchtern, samt Köchin, ertranken in der Elster. Es dauerte insgesamt noch 6 Wochen bis die letzte Frau aus dem Wasser geborgen werden konnte und alle von Lichtenhains wurden auf dem Ostrauer Kirchhof beigesetzt.

 

 

4.   1834, Fräulein Friederike von Lichtenhayn, die Letzte der langen Ahnenreihe derer von Lichtenhayn auf Ostrau und Etzoldshain:

„Nun bin ich 82 und mein ganzes Leben lang lag mir das kleine Gut am Herzen. Jetzt steht nun der Verkauf an und die Bitte um das Wohnrecht. Ich erinnere mich noch an die Zeit der Jahrhundertwende als die Naumburger Kyrie und das Oberlandesgericht der verordneten Übergabe in meine Hände zustimmen sollte. Die Bürokratie hat sich gelohnt und ich war immer froh, dass meine Herren Verwandten in der Landesverwaltung am Schreibpult untergekommen sind. Ich hab am Anfang gern die Taille enger geschnallt, um die Stall- und Feldwirtschaft zu führen und die Politik den dunklen Zylindern zu überlassen.

Und als 1813 die Franzosen kamen auf ihrem Weg zum Oktoberdesaster. Alles war grade gut und stattlich eingerichtet und es fielen alle Urkunden und Aktenblätter den Plünderern zum Opfer. Da wollt ich aufgeben und fand dann im Kirchlein Trost und Kraft.

Nun möchte ich noch eine Zeitlang leben und dann vor den Herrn treten. Es ist schon seltsam im Herzen zu wissen, dass viele Lichtenhayns bald ihre Zeit im Ort beschließen.“

 

Friederike von Lichtenhayn lebte noch bis 1837 und wurde würdig in der Familiengruft beigesetzt.


OSTRAUER GESPRÄCHE 1939 -  1945

aus dem Tagebuch von Frau Ursula Brand

3. Ostrauer Gespräche –

Friedenskinder

(80-70-30)

von Katrin Lange, Gemeindepädagogin

vorgetragen zum „SommerSpezial-Gottesdienst“ in der Kirche Ostrau

am 21.07.2019


An den Jahrestagen von 2019 kommt keiner vorbei. Das wechselvolle Leben zwischen 1939 und 1949 war auch in der Elsteraue geprägt von Überleben, Hoffen und Bangen. Das „Große ENDLICH“ mit dem Beginn der beiden deutschen Staaten und die Erfahrung des Langerhofftem im Herbst 1989. Zum 80. Mal jährt sich der Tag des Kriegsbeginns, 10 Jahre später wurden die beiden deutschen Staaten DDR und BRD gegründet.

1989, vor 30 Jahren kam es zur Friedlichen Revolution in Ostdeutschland, kurz danach zur Wiedervereinigung.

Die Stimmen, die uns heute im Gottesdienst erreichen werden, sind Zeugnisse dieser Zeit von vor 80 bis heute.

In diesem Zusammenhang müssen wir uns über Frieden unterhalten, denn zu jeder Zeit war er gefährdet, wurde verhöhnt oder zur Privatsache erklärt.

Bezeichnenderweise steht über dem Jahr 2019 eine Jahreslosung, die vom Frieden berichtet.

 

Die Stimme von Ursula Brandt, einer Nachfahrin auf dem Rittergut Ostrau, das einst dem Ritter Valentin von Lichtenhayn gehörte, die dies am eigenen Leib erfahren musste, soll uns erreichen. Diesmal sind es Ostrauer Predigtgespräche geworden, die Zeitzeugen (Quelle dafür ist die von Erika Quinn erfolgte Bearbeitung des Tagesbuches von Ursula Brandt), Zeugnisse aus der Bibel und Stimmen aus der Literatur zu Worte kommen lassen.

 

In den Kriegsjahren 1939-45 -

Frau Brandt beginnt in Ostrau ein Tagebuch um:

 „die Briefe zu ersetzen, die ich dir nicht mehr schreiben kann. Ich möchte dir sagen, was ich sonst nur in meinen Briefen an dich geschrieben hätte und es soll eine Brücke sein, zwischen Jetzt und wenn du wieder bei uns bist.“

 

Ihr Tagebuch schreibt sie für ihren, im Krieg eingezogenen und später vermissten Ehemann Hilmar.

Es beleuchtet das alltägliche Leben und den seelischen Tribut des Krieges.

Das nationalsozialistische Regime vermittelt in den 30er Jahren der Bevölkerung, dass sich eine Niederlage wie im 1. Weltkrieg nicht wiederholen darf. Es bedarf der ständigen Unterstützung des Krieges durch das Volk. Mehr noch, mit der nationalen Revolution sollte eine politische und wirtschaftliche Gleichmachung des Volkes erfolgen.

Gepaart mit einem Sinn an Gehorsam und Loyalität, gegenseitiger Pflege und geteiltem Wachstum. Diese Idee wurde durch Druck, Film und Radio propagiert, durch staatlich gesponserte Jugendgruppen und durch klare Definition der Feinde, die die Volksgemeinschaft bedrohen – Arbeitslose, Kommunisten, Juden und andere, die nicht willig waren, der deutschen Nation zu helfen.

Es sollte eine einheitliche emotionale Gemeinschaft entstehen. So kreierten sie ein Straßentheater von Marschstiefeln und Uniformen, Paraden, Flaggen und Aufmärschen. Sie schichteten die Gesellschaft in Jugendgruppen, Wohltätigkeitsorganisationen und verlegten die meisten großen sozialen Organisationen außerhalb der Kirche. Feindesliebe gilt als Schwäche, aus Männern werden Maschinen.

Mitglieder dieser Organisationen trugen Uniformen, die ihnen eine Identität schenkte. Dazu kamen Volksliedersingen, Flaggenschwenken, Hitlergruß und der Verweis auf die Ehre, den Heldentod für das Vaterland zu sterben.

Der Krieg mit den Verlusten geliebter Menschen und ganz besonders den Bombardements der Städte, erschütterten das Vertrauen der Deutschen in das Regime. Um diesem Trauma zu entkommen, konstruierten die Menschen chronologische Geschichten – die dabei helfen, Erlebnisse zu verstehen, eine Biografie und somit normale Identität zu schaffen. Der Missbrauch von Vertrauen unterbricht diese normale Zeit.

Für Ursula wird die Küchenbank zum Ort der heilen Welt, denn dort saß sie zusammen mit ihrem Verlobten und Ehemann in glücklich-vereinter Vergangenheit.

1943, Ursulas Mann ist auf dem Weg nach Russland,

Weihnachten schreibt sie:

„Ab nun wird dieses Buch nicht nur für unsere Kinder sein, sondern vor allem für dich, Liebster! Ich glaube, du lebst, du kannst einfach nicht tot sein! Du wirst wiederkommen, du musst wiederkommen…Die Hoffnung gibt mir die Kraft und den Mut, mein Leben weiterzuleben wie zuvor, auf die Kinder aufzupassen und den Hof und deine Eltern zu unterstützen…Wenn wir nur unter den Glücklichen sein dürften, die ein Lebenszeichen von ihren Angehörigen bekommen könnten. Wir hoffen immer und werden nie damit aufhören.“

 

Die Menschen verzehrten sich nach Sicherheit. Diese kannten sie seit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges nicht mehr. Alles wurde für den Krieg eingesetzt. Frauen begannen für Brot zu demonstrieren. Und nachdem Deutschland 1918 besiegt worden ist, wurden diese Proteste Teil eines rechten Mythos, der „Dolchstoßlegende“ – Frauen, Politiker, Sozialisten und Juden hatten der deutschen Armee in den „Rücken gestochen. Dieser Mythos behauptete, dass inländische Schwächen die Kriegsanstrengungen untergraben hätten. Wären jene in der Heimat standhaft geblieben, hätte Deutschland den Krieg gewonnen. Damals war dies propagierte Wahrheit.

Für Frauen galt: Flug und Egge statt Feder und Laborkittel.

Dieses Frauenbild holte Ursula Brandt ungewollt und schnell ein. Der Schwiegervater verstarb und sie wurde mit 32 Jahren die autonome Leiterin des Hausstandes und des landwirtschaftlichen Betriebes

Ursula stürzte sich in die Arbeit:

„Die Leute sehen, dass sie mir nichts vormachen können, und ich mag es. Es macht mir Spaß.“

Hilmar Brandt wurde seit 1943 in Russland vermisst. Es ist nun 1948. Die Bevölkerung wuchs stetig durch den Zustrom von Flüchtlingen nach Kriegsende. Viele dieser Umsiedler und Vertriebenen kamen in ländliche Gegenden.

Ursula schreibt:

 „…unsere Jugend schwindet und mit ihr unser ganze Leben. Ich denke oft an die Worte: „Euer sind die Reben, Feste und Gesang. Unser ganzes Leben ist ein Opfergang…“ Wir können die verlorenen Jahre nicht zurückbekommen und das ist die Tragödie unseres Lebens. Wir sollten nicht fragen „Warum ich?“, wir wissen nicht, was Gott für uns bereithält. Mein Glaube ist ein großer Trost, das hätte ich früher nicht geglaubt. Es ist die letzte Rettungsweste, die mich vor dem moralischen Zusammenbruch bewahrt…. Und ich bete zu Gott für die Gewissheit über dich, ob du lebst oder die ewige Ruhe gefunden hast… Ist dies das Jahr, in dem alle Gefangenen aus der Sowjetunion nach Hause kommen werden? Ich glaube, dieses Versprechen wird, wie viele davor, gebrochen werden.“

Für die Familie Brandt gab es keine Klärung bis heute, wo der Ehemann und Vater verblieben, wo und wie er verstorben ist.


OSTRAUER GESPRÄCHE   Lass es so sein - Let It Be

Kleine Geschichten aus der Nachbarschaft

4. Ostrauer Gespräche

Lass es so sein – Toleriere es – Let It Be

von Katrin Lange, Gemeindepädagogin

vorgetragen zum „SommerSpezial-Gottesdienst“ in der Kirche Ostrau

am 26.07.2020


 

Einleitung zu den 4. Ostrauer Gesprächen

Zwei Erinnerungslinien möchte ich heute miteinander verknüpfen. Einmal sollen weitere Stimmen aus dem Kirchspiel, diesmal aus Göbitz zur Sprache kommen, damit diese kleinen Geschichten aus unserer Nachbarschaft nicht vergessen werden.

 

Zum zweiten gab es eine Gruppe von 4 Menschen, die schon zu Lebzeiten unvergessen geworden sind.

 

2. Vor 60 Jahren bildeten sie ab dem August 1960 eine Band: die Beatles.

 

Manchmal ist das Erstaunen groß, welche Gewalten Texte und Musiken entfesseln können und auf andere übertragen. Besonders wenn man sich überlegt, wie jung die 4 Musiker gewesen sind, als sie diese gehaltvollen Texte produziert haben.

 

Unvergessen ist auch ihr Abschiedslied „Let it be“. In diesem Lied wird die Mutter Maria besungen, die im Traum erscheint und einzelnen Menschen Kraft gibt. Kraft, die die Band nach 1970 nicht mehr haben, um zusammenzubleiben

3. Das wünscht man allen Menschen, – dass sie unvergesslich bleiben und lebendig im Herzen anderer. Eine gute Form der Erinnerung ist da die Fürbitte in unseren Gottesdiensten, aber auch im stillen Gedenken zu Hause. Wir sollten es nicht geringschätzen, was unser Gedenken an die Vergessenen vermag.

 

Im Sommer-GD hier in Ostrau, erinnern wir uns seit einigen Jahren an Menschen und Ereignisse dieser Gegend. Kleine historische Beobachtungen, sollen sich einreihen in unser Leben. Und es gibt einige Parallelen zu entdecken:

 

4. Ostrauer Gespräche

I. Von Wegen und Rasenlatschern

Wege gibt es viele, auch in unserer Gemeinde: zum Beispiel den Schul- und Kirchweg von Torna nach Ostrau. 240 Jahre lang war er immer mal wieder Grund zur Sorge und Rechtsstreit. Besonders dann, wenn er zum Leichenweg wurde, der zum Ostrauer Friedhof führte.

1730 klagte die Gemeinde Torna über den Oberforstmeister von Lichtenhayn: „dass der Herr von Lichtenhayn nur sehr mangelhaft gestatte, die Leichen, die nunmal 4 Mann tragen müssen, vernünftig transportieren zu können. Der schmale Kirchenfußsteig reicht nicht aus. Wir bitten um Passage über einen Randstreifen des Lichtenhaynschen Grundes. Sollen wir die teuren Toten denn in den Graben werfen und dort belassen und uns Träger gleich mit?“

 

1804: „An den Herrn Rittmeister von Lichtenhayn, hochwohlgeboren, auf und zu Ostrau: ...da wo wir Ihr Eigentum berühren, gehen wir in einem Fahrwege und auf dem Kirchweg und berühren nur auf einer Seite Ihr Eigentum, um unsere Leichen zu tragen, zumal da höchstens nämlich 2 Leichen auf Jahr kommen…. Wir bitten nun ganz gehorsam, dass Sie uns bei dem für Sie ganz unschädlichen Passagerecht belassen möchten.“

 

1850: Ein Zeuge berichtet: „Der streitige Leichenweg, so kann ich mich seit 70 Jahren erinnern, da ich schon als 10-jähriger Knabe die Tornaer Leichen auf den Gottesacker mit Gesang begleitet habe, führte 100 Schritte über die Ostrauer Hutheweide…

Wie der Streit beendet wurde, ist nicht überliefert.

1954 schreibt ein ehemaliger Tornaer in der Kirchenzeitung: „Manchmal wurde aus dem Schul- und Kirchweg ein Leichenweg. Da die Särge noch auf den Schultern …getragen wurden, musste der Hirte jedesmal durch angefügte Bohlen die gefährlichen Stege verbreitern. Auch so atmete immer alles auf – außer den Toten natürlich – wenn die Träger glücklich über den Graben hinüber waren.

 

1970 wurde der Weg zur besseren Flächennutzung mit Großgeräten von der LPG „Goldene Ähre“ in Ostrau umgeackert.

Let it be: Lass es so sein, Toleriere es, Akzeptiere es.

 

 

II. Vorboten der Region Nördliches Zeitz?

Kirchenzeitung 1922: „Die jährliche

Kirchenrechnungslegung ist ein kaltes Geschäft.

So setzt sich dann der Pfarrer – der wird’s ja in der

Regel tun - an den Schreibtisch, aus Pflichtgefühl, sich zwingend. Jeder Pfennig Einnahme, jeder Pfennig Ausgabe wird eingesetzt. Die Rechnungen gehen bis 1664 zurück. Wie schön, wenn Kirchengemeinden sich gegenseitig helfen. Wenn die Kirchenkasse Ostrau 12 Groschen für die Kirche in der Langenaue und 1 Thaler 1 Groschen für die Salsitzer Kirche stiftet. In der guten alten Zeit mögen wohl einige Ostrauer den Mund ein wenig schief gehalten haben, wenn es ans Bezahlen der kirchlichen Umlagen der einzelnen Gemeindegelieder ging. Aber bald war der schiefe Mund wieder in seiner alten Lage, wartete doch der schäumende Bierkrug.

Eine immer wiederkehrende Ausgabe in der Kirchenrechnung ist: 1 Thaler 4 Groschen in der Gemeinde, nach altem Brauch zu vertrinken. So entzog man den kalten Zahlen die Kälte. Und Patron, Pfarrer, Gerichtstaktuar und Kirchenvater ward am Abnahmetag ein ausgiebiger Trunk gereicht, so froren sie nicht, noch wurde ihnen die Kehle vom Aktenstaub trocken.“

Die Kirchengemeinde Langenaue, also Aue-Aylsdorf gehört wie die KG der Elteraue zur Region Nördliches Zeitz. Wir stehen füreinander ein und feiern, meist im Oktober ein Dankefest für alle, die in den Gemeinden Verantwortung tragen.

Let it be: Lass es so sein.

 

 

III. Der Mühlenknecht von Göbitz

Kirchenzeitung 1928: „Nach gründlichem Aufräumen der Kammer des uns allen bekannten Mühlenknechts Adolf, fand man in einer alten Schublade ein von Staub überzogenes, lang übersehenes Buch in der Größe einer mittleren Bibel. Im kunstvoll gebundenen Buch von 1548 findet sich ein Werk über Ackerbau und Viehzucht des lateinischen Dichter Vergil aus dem Jahre 70 v. Christus. Kommentiert mit lateinischen Randbemerkungen des Reformators Philip Melanchthon. Welch ein Schatz. Doch es geht noch weiter. Am Ende des Buches steht von Hand geschrieben Martin Luther. Da der Reformator 1547 verstarb, ein Jahr vor dem Erscheinen des Buches, ist anzunehmen, dass das Werk seinem Sohn, ebenfalls Martin Luther, als Schulbuch diente. Wie wird es wohl in den Besitz des Mühlenknechtes gekommen sein. Hat es dort schon immer gelegen, vielleicht seit der Reformationszeit? Ein Nachbesitzer notiert 1630 im Buch: Zum Gedenken an Martinus Lutheri. Und unser Mühlenknecht? Wusste er, was für einen Schatz er fand, als er einmal an den Dielenbrettern seiner Kammer rüttelte und unter Schichten voller Staub die Kostbarkeit entdeckte? Als das Werk zur Begutachtung 1928 im Lutherarchiv war, wünschte sich Adolf: ‚dass er sein Buch recht bald zurückbekäme, denn er lese schon des Öfteren darinnen.‘

Let it be: Nimm es dir nicht so zu Herzen

IV. Ein Herz für Göbitz - von Brotgeld bis Radlerstopp

Untrennbar mit der Mühle in Göbitz ist der OT

Werbenhain verbunden. Immer, wenn in einem

Ortsnamen HAIN vorkommt, lässt sich dies auf eine

slawische Siedlung oder einen Kultort zurückführen.

Mein Heimatort ist Geithain.

 

Urkundlich wurde Werbenhain 1536 zum ersten Mal

erwähnt. Es ist viel älter, war im Mittelalter eine

Wasserburg, d.h. ein Schutzwall ohne Burggebäude.

Durch seine Bepflanzung war Werben- oder

Weidenhain auf jeden Fall befestigt, ab 1680 ein Gutsort

ohne Dorf. Am Gut hing Landbesitz und damit eine

Zinspflicht gegenüber Herzog Moritz in Zeitz. Als Gegenleistung durfte der Gutsherr mit andern Nachbarn gemeinsam auf die Jagd gehen.

Später sollte auch eine Brotabgabe geleistet werden. Es wurde gemogelt, wie wild. Dann legte der Kurfürst fest, dass man ab jetzt aus einem Zeitzer Scheffel Korn 8 Brote backen und liefern müsse, aber ohne Zusatz von Erbsen- oder Gerstenmehl.

Eine Nachfolgerin auf Gut Werbenhain wurde gemahnt, ihren fälligen Beitrag für die Renovierung der Ostrauer Kirche und der Friedhofsmauer zu zahlen.

 

1837 schließlich kaufte der Göbitzer Mühlenbesitzer Johann Friedrich Traugott Rothe Werbenhain. Von nun an gehörten Mühle und Werbenhain zusammen. Die Brotabgabe wurde jetzt in Brotgeld umgewandelt und konnte bezahlt werden. Und 1843 wurde das Gutshaus neu errichtet, schön und prächtiger als jemals zuvor, z.T. mit Steinen der alten Nikolaikirche in Zeitz. Herr Rothe holte auch die Glocke der Nikolaiskirche nach Göbitz und ließ sie in den Turm der Mühle einsetzen. Nun übernahm Familie Jacob die Mühle.

 

Der 1. Mühlen- und Rittergutsbesitzer Friedrich Louis

Jacob verstarb 1873 mit 50 Jahren. Im Park

Werbenhain steht ein Denkmal für ihn. Sein Herz hing

an diesem Ort und so wurde tatsächlich sein Herz in

den Sockel des Denkmals eingelassen. Dort ist es bis

heute.

Hier wurde er beigesetzt und unter der Lutherlinde ist.

sein Grabstein.

Die weitere Familiengrabstelle befindet sich

nebenan an der Mauer.

1901 übernahm Carl Jacob die Mühle und den

Werbenhainer Besitz. Er verstarb 1939.

Das Herrenhaus diente mehreren Adelsfamilien als

Wohnort. Bis zur Bodenreform waren das Gut und der

Park Werbenhain Eigentum der Mühlenbesitzerfamilie

Jacob/Hüfner….

 

… und heute ist das Herrenhaus, erbaut 1881, neben

der alten Mühle in Göbitz ein liebevoll geführter,

lauschiger Ort für Ausflügler, Radfahrer,

Tages- und Pensionsgäste…

Vieles ist vergangen – aber erinnern sollen wir uns –

auch daran, was uns zusammenhält – So soll es sein.

 

 

(Der Text der 4. Ostrauer Gespräche geht auf

Materialsichtung und Veröffentlichungen von Frau

Renate Kalb aus Torna zurück. Herzlichen Dank dafür.)

 

Katrin Lange, Gemeindepädagogin in der Region

Nördliches Zeitz